Paradigmenwechsel jetzt!  – Lockdown Ping-Pong stoppen

Seit dem 18. Januar bis mindestens zum 28. Februar befindet sich die Schweiz in einem Lockdown, bei welchem weite Teile des Detailhandels durch die Behörden geschlossen oder stark eingeschränkt wurden. In Zahlen bedeutet dies, dass im Detailhandel, der nicht Lebensmittel oder Güter des täglichen Bedarfs verkauft, schweizweit über 10’000 Geschäfte durch den Bund geschlossen wurden, was für die Branche zu einem Umsatzausfall von rund CHF 800 Millionen pro Woche führt. Im Vorfeld zum Entscheid hat sich Swiss Retail Federation für die Verlängerung des seit 22. Dezember 2020 geltenden «Lockdown Light im Detailhandel» stark gemacht. Dieser hatte bereits einschneidende Konsequenzen betreffend der Kundenanzahl pro Läden und zu einer Drosselung der Frequenzen geführt.

Konsequenzen des geltenden Lockdowns für den Detailhandel

Die zweite Schliessung von weiten Teilen des Schweizer Detailhandels und der dadurch bedingte massive Umsatzverlust von geschätzt rund CHF 4.8 Milliarden für die Lockdown-Phase bis Ende Februar haben weitgehende und tiefgreifende Konsequenzen.

  • Detailhandel bleibt auf Kosten sitzen. Die Härtefallverordnung greift, trotz Nachjustierung, deutlich zu kurz. Die weiterlaufenden Fixkosten bei vielen mittleren und grösseren Detailhandelsbetrieben sind dadurch lediglich zwischen 2-9% gedeckt. Auch der in Art. 5 der Covid-19-Härtefallverordnung festgehaltene Umsatzrückgang von min. 40% gegenüber dem durchschnittlichen Jahresumsatz der Jahre 2018 und 2019 bzw. der letzten 12 Monate ist als Anforderung für eine Lockdown Situation im Detailhandel nicht zielführend. Die EBIT-Margen sind generell sehr tief, sodass bereits ein Umsatzminus von 5% – 10% existenzbedrohend ist.
  • Wirtschaftliche Perspektiven werden durch staatlich verordnete Schliessung beschnitten. Die Konsequenz des zweiten Lockdowns ist, dass viele Projekte, die für die zukünftige Ausrichtung der Unternehmen gesprochen wurden und essenziell sind, «eingefroren» oder ad acta gelegt werden mussten. Das heisst konkret, dass der Detailhandel nicht nur weitgehend alle laufenden Fixkosten tragen muss, sondern auch die Zukunft der zuvor gesunden Unternehmen beschnitten, wenn nicht gar bedroht wird. Durch die verordneten Schliessungen betreiben die Behörden aktuell aktive Strukturpolitik.
  • Arbeitsplätze in Gefahr. Die volkswirtschaftlichen Auswirkungen sind nicht zu unterschätzen und führen bei den Mitarbeitenden, die sich zum grossen Teil abermals in Kurzarbeit befinden, berechtigterweise zu einer grossen Verunsicherung und Sorge um den Arbeitsplatz (der Detailhandel ist mit rund 310’000 Stellen der grösste private Arbeitgeber der Schweiz). Auch deren finanzielle Belastung ist immens. Die Arbeitslosenzahlen im Detailhandel (Noga 47) sind seit März 2020 deutlich höher als im Vorjahresmonat. Seit Mai 2020 bewegen sie sich mit einem Plus von konstant um die 30% mehr Arbeitslosen gegenüber Vorjahresmonat auf sehr hohem Niveau. (Quelle Amstat)
  • Ressourcenintensive Organisation. Es ist eine schier unlösbare Aufgabe, den Geschäftsablauf trotz Schliessung zu organisieren. So tragen die Unternehmen unverschuldet Mehrkosten und grössere Verluste für zusätzliche Lagerflächen von bereits bestellter Ware, höhere Rabattierung von Saison-Waren, die nicht verkauft wurden (mit sattem Margenabschlag bei schon dünnen Margen), erhöhte Transport- und Handling Kosten sowie Belastungen über Fixkosten ohne Umsatz (insb. Miete).
  • Kosten für Schutzkonzepte. Nicht zu vergessen sind die zusätzlichen Kosten für die Schutzkonzepte, die ebenfalls vom Handel getragen wurden und im Falle des Lockdowns nutzlos sind. Diese Kosten würden selbst durch die von uns geforderte Ausweitung der Härtefallverordnung nicht gedeckt wären. Alles Investitionen, die getätigt wurden, um gerade Ladenschliessungen zu vermeiden.

 Paradigmenwechsel gefordert

Die Ansicht, dass Unternehmen wie nach einem Dornröschenschlaf einfach anknüpfen können, wo sie vor dem Lockdown aufgehört haben, ist falsch. Im Gegenteil, eine Verlängerung der Schliessungsperiode oder ein späterer erneuter Lockdown zerstört die Zukunftsperspektiven der Unternehmen, sich in einem schon herausfordernden Umfeld behaupten zu können. Ausländische Onlinehändler wie Zalando oder Amazon, die lediglich im Ausland gewichtige Arbeitsplätze schaffen, werden vom Schweizer Staat mit solchen Massnahmen noch künstlich gefördert. Auf den Kosten sitzen bleiben aber die Unternehmen in der Schweiz und auch die Mitarbeitenden, die von Kurzarbeit betroffen sind. Ein volkswirtschaftlicher Schaden, staatlich gefördert, kommt auf uns zu.

Nach rund einem Jahr muss nun endlich eine Strategie her, die diesem Umstand Rechnung trägt, dass das Virus nicht von heute auf morgen mit einem Lockdown verschwindet. Es braucht deshalb einen Paradigmenwechsel weg von Lockdown-Öffnung-Lockdown etc. Die Erkenntnis muss reifen, dass das Virus laufend mutiert und Lockdowns keine nachhaltige und verhältnismässige Strategie sind.

Wir fordern:

  • Keine flächendeckenden Schliessungen mehr. Alle Läden und andere Branchen sollen, mit den griffigen und bewährten Schutzkonzepten und Hygiene- und Abstandsregeln, öffnen dürfen. Insbesondere gilt dies für Läden, da sie gemäss BAG-Zahlen keine Ansteckungsorte sind. Die Regulierung muss kohärent und risikobasiert erfolgen (es ist bspw. nicht nachvollziehbar, warum Kleider-, Schuh- und Buchläden geschlossen wurden, Tattoo- und Erotik-Studios grundsätzlich offen bleiben durften).
  • Planbarkeit ist für Unternehmen unerlässlich. Die Branche muss heute für den Zeitraum ab 1. März eine Perspektive haben und sich entsprechend vorbereiten können. Die Massnahmen müssen frühzeitig kommuniziert und an klare objektive Kriterien gebunden werden, um eine Planbarkeit für die Gesellschaft und die Unternehmen zu gewährleisten. Nur so kann gewährleistet werden, dass die Massnahmen von der Bevölkerung weiter mitgetragen werden. Die Unternehmen, aber auch die Mitarbeitenden, müssen sich auch rechtzeitig vorbereiten können.
  • Testing & Tracing. Es muss breiter getestet werden, um Cluster frühzeitig zu erkennen und das Tracing muss zielführend und verlässlich ausgebaut werden. Die SwissCovid-App muss auf ihre Wirksamkeit überprüft und entsprechend nachgebessert werden.
  • Klare und belastbare Impfstrategie. Es ist unabdingbar, dass die Impfstrategie schnell und stringent umgesetzt werden kann. Für eine Normalisierung der Lage ist es unerlässlich, dass möglichst schnell die Bevölkerungsschichten geimpft werden, die berufsmässig viele Kontakte haben bzw. mobil sein müssen. Eine klare und belastbare Agenda zum Zeitablauf muss kommuniziert und eingehalten werden.
  • Evidenzbasierte Massnahmen nach den Grundsätzen der Wirksamkeit und der Verhältnismässigkeit. Die Massnahmen müssen evidenzbasiert und anhand von kommunizierten und klaren objektiven Kriterien ausgearbeitet werden.
  • Bevölkerung abholen, nicht abhängen. Die letzte Sotomo Umfrage zeigt, dass die Schweizer Bevölkerung den harten Kurs (Ladenschliessungen, ect.) des Bundesrates nicht unbedingt mittragen will. So lehnte mit 56% mehr als die Hälfte der Schweizer Bevölkerung die Ladenschliessungen ab. Der Trend der «Entfremdung» mit den Bundesmassnahmen dürfte sich bei einer Verlängerung oder Verstärkung der Massnahmen noch verschärfen. Ohne die Akzeptanz in der Bevölkerung verpuffen auch gut eingeführte Massnahmen und es wird lediglich ein immenser wirtschaftlicher Schaden angerichtet.
  • Keine empirische Evidenz zur Wirksamkeit von Lockdowns. Eine Studie der Universität Stanford, die im European Journal of Clinical Investigation veröffentlicht wurde zeigt klar, dass harte Massnahmen nicht unbedingt zielführend sind. Es gibt dafür keine empirische Evidenz. Bei der Untersuchung der Effekte von restriktiven Massnahmen in mehreren europäischen Ländern konnten die Wissenschaftler keinen signifikant positiven Effekt nachweisen, der diese harten Massnahmen rechtfertigt. Daher ist auf zielführendere und von der Bevölkerung mitgetragene Massnahmen zu setzen, wie beispielsweise dem Ausbau des Contact-Tracings und die bereits bewährten Schutzkonzepte in den Betrieben.
  • Besseres, klareres und anpassungsfähigeres Krisenmanagement. Hier fordern wir vor allem, dass bei Risikobeurteilungen ein gesamtheitlicherer Approach bei der Gewichtung gewählt wird und Kollateralschäden und potentielle andere Gesundheitsschäden (als rein Corona-bedingte Krankheitsfälle) ebenfalls bei der Beurteilung mitberücksichtigt werden.