Ausuferndes «Transparenzpaket» – Detailhandel warnt vor Deklarationswahn

15. Juli 2024

Muss in Zukunft jedes einzelne Produkt im Supermarkt als potenziell gefährlich und jede Zutat bis ins kleinste Detail deklariert werden? Dieser Eindruck entsteht, wenn man das jüngste „Transparenzpaket“ im Lebensmittelbereich durchliest, dessen Vernehmlassung letzten Freitag abgeschlossen wurde. Es beinhaltet umfangreiche zusätzliche Deklarationen, die für den Detailhandel mit erheblichem Mehraufwand verbunden sind, jedoch kaum einen wirklichen Mehrwert in Bezug auf die Transparenz für die Kunden bieten. Die SWISS RETAIL FEDERATION fordert deshalb einen regulatorischen Marschhalt und den Verzicht auf zusätzliche undurchdachte, nichtzielführende und unverhältnismässige Deklarationen.

Am vergangenen Freitag endete die Vernehmlassung zur Änderung von Verordnungen im Lebensmittelbereich sowie im Bereich der Ein-, Durch- und Ausfuhr von Tieren und Tierprodukten. Dieses sogenannte «Transparenzpaket» umfasst sieben Vorlagen, die sich u.a. mit in der Schweiz verbotenen Produktionsmethoden, Herkunftslandangaben und der Übernahme der EU-Weinverordnung annehmen. Die geforderten Deklarationen stellen eine massive Ausweitung und Verschärfung der bisherigen Deklarationspraxis dar. Die SWISS RETAIL FEDERATION hat darum in der Vernehmlassung klar Stellung bezogen (siehe Stellungnahme).

Ausuferndes «Transparenzpaket»: Pestizidfreie Bio-Bananen deklarieren?

Exemplarisch für die ausufernden Deklarationen ist die in der Vorlage präsentierte Vorschrift, dass sämtliche unverarbeiteten pflanzlichen Lebensmittel aus Herkunftsländern, in denen bestimmte in der Schweiz verbotene Pestizide erlaubt sind, spezifisch gekennzeichnet werden müssen – unabhängig davon, ob diese im konkreten Produkt tatsächlich verwendet wurden. Diese Regelung würde dazu führen, dass ganze Länder, Hersteller und Produkte pauschal unter Verdacht gestellt werden, nur weil ein bestimmtes Pestizid grundsätzlich am Ort der Produktion erlaubt ist. Dies widerspricht der geforderten „Transparenz“ jedoch völlig.

«Mit dieser Verordnung müssten selbst Bio-Bananen, deren Produktion durch ein Bio-Label als garantiert pestizidfrei ausgelobt wurden, entsprechend deklariert werden. Das ist nicht nur mit einem enormen Mehraufwand für die Detailhändler verbunden, sondern führt auch die Kundinnen und Kunden in die Irre und schädigt dem Ruf der verkauften Produkte, ohne dabei einen Mehrwert für die Nachhaltigkeit zu schaffen» sagt Dagmar Jenni, Direktorin der SWISS RETAIL FEDERATION.

Ein weiteres sinnbildliches Beispiel für diese Deklarationsflut ist die geplante Verschärfung der Herkunftslandangabe der Zutaten am Endprodukt. Diese Änderung würde nicht nur eine Ausweitung der Anzahl neu zu deklarierender Zutaten darstellen, sondern erfordert auch, dass diese Angaben im Hauptsichtfeld der Verpackung platziert werden müssten. Da die betroffenen Rohstoffe jedoch oft aus verschiedenen, teilweise rasch wechselnden Herkunftsländern kommen, ist die Deklaration technisch schwer umsetzbar. Dennoch wird dieser Mehraufwand unter der falschen Prämisse der «Transparenz» willentlich auf Kosten des Detailhandels in Kauf genommen und verteuert damit letztlich die Produkte.

Augenmass statt vorauseilender Gehorsam bei der EU-Weinverordnung

Während die vorhin genannten Deklarationen als Umsetzung eines parlamentarischen Auftrags verstanden werden, soll die neue EU-Weinverordnung ohne Not tel quel übernommen werden. Neu müssten alle Weine mit zusätzlichen Angaben des Zutatenverzeichnisses, der Nährwertkennzeichnung und des Mindesthaltbarkeitsdatums bei entalkoholisierten Weinen deklariert werden. Dabei wird komplett ignoriert, dass nur rund ein Prozent aller Schweizer Weine überhaupt exportiert wird und somit EU-kompatibel etikettiert werden müsste. Es ist wichtig, diesen voreiligen Gehorsam zu vermeiden, indem die Sinnhaftigkeit der Deklarationsanforderungen kritisch hinterfragt und gut schweizerischer Pragmatismus an den Tag gelegt wird.

Bessere Rahmenbedingungen für den Schweizer Detailhandel

Wie letzte Woche kommuniziert, schaut die Schweizer Detailhandelsbranche auf ein herausforderndes erstes Halbjahr 2024 mit drohenden Umsatzeinbussen im Onlinehandel sowie einer stagnierenden Wachstumsdynamik im stationären Handel zurück. Umso wichtiger ist es, insbesondere den Food-Bereich – als wichtiges Rückgrat des stationären Handels – zu entlasten. Die hohe Anzahl neuer Deklarationen, die von bestimmten politischen Kreisen und den ausführenden Behörden gefordert wird, muss eingedämmt werden. In den letzten Jahren wurden Anstrengungen unternommen, nichttarifäre Handelshemmnisse zu reduzieren – der neu aufkommenden Gegenbewegung muss unbedingt Marschhalt geboten werden.

Über SWISS RETAIL FEDERATION
Die SWISS RETAIL FEDERATION vertritt den schweizerischen Detailhandel ohne die Grossverteiler. Sie repräsentiert 1600 Detailhandelsunternehmen mit 6500 Standorten in der Schweiz. Ihre Mitglieder generieren einen Umsatz von über 25 Mia. Franken und beschäftigen rund 60’000 Personen.

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